Artikel Offenbach Post, 28. März 2012:
Obertshausen - Kindermund tut Wahrheit kund. Nur das war Christian Lang aus Lämmerspiel und Eddy Jacobs aus Heusenstamm Ende der Siebziger Jahre nicht bewusst. Ein Gerücht machte schon im Hort die Runde.
Von Detlef Kinsler
"Boney M. sind aus Lämmerspiel!" Erste Kassetten kursierten bereits im Kindergarten. "Wir hatten immer dieses Bild mit schillernden Kostümen und karibischen Rhythmen vor Augen", formuliert Lang die frühe Faszination für die Popstars. "Aber das ging mit dem Spruch so gar nicht zusammen." Nur das störte damals nicht weiter. Schließlich wünscht man sich das Christkind oder den Osterhasen auch in die Nachbarschaft. "Und wo sie wirklich lebten, konnte uns damals auch keiner sagen."
Die erste große musikalische Liebe der heute 38-Jährigen geriet dann ein wenig in Vergessenheit. Erst 2004 griffen die Schulfreunde, deren Wege sich erstmals in der Oberstufe der Obertshausener Georg-Kerschensteiner-Schule gekreuzt hatten, das Thema wieder auf. "Dazwischen lag ja unsere Ausbildung, wir haben studiert und wussten dann erst, dass wir Filme machen wollten", erklärt Lang, der heute beim ZDF in Mainz arbeitet und zusammen mit dem in Frankfurt arbeitenden Eddy Jacobs nebenberuflich eine Produktionsfirma betreibt, die bereits einige Kurzfilme und Image-Videos verantwortete.
Hilfreich waren dabei ihre vielfältigen Erfahrungen, die sie als Kameraassistenten und bei verschiedenen Praktika sammeln konnten. Die Filmemacher hoffen zwar auch auf Regie- und Drehbuch-Aufträge für Spielfilme, eines aber stellt Christian Lang klar: "Unser Herz schlägt für den Dokumentarfilm." Und da traten Boney M. auf den Plan. Denn deren Geschichte musste dokumentiert werden. Also kauften sie die alten Platten noch mal, suchten nach Hinweisen auf den CDs, fanden da nur den Namen des Produzenten Frank Farian und von Toningenieur Fred Schreier. „Der betrieb damals das Europasound Studio in der Rathausgasse in Offenbach-Bieber. Und da wurde die Musik anfangs auch produziert“, erfuhren sie.
Da Lang und Jacobs erst drei Jahre später Mittel aus der Hessischen Filmförderung und der hr-Filmförderung bekamen, recherchierten sie erst mal in der Region, suchten nach Zeitzeugen und stießen auf überraschende Erkenntnisse. In der Pizzeria Nello unweit des Studios gab es beispielsweise eine Pizza Boney M. mit Thunfisch und Zwiebeln, ganz nach dem Geschmack der Künstler. Obendrauf – was die Gastronomen im Interview wohl nicht erzählten – vier schwarze Oliven. Politisch vielleicht nicht ganz korrekt, aber durchaus als Ehrerbietung gemeint, "Sie hatten einen Proberaum in der 'Krone' in Hausen, wo sie sich vor ihren Tourneen 1976/1977 für ein paar Monate einquartiert hatten, wohnten länger im Landhaus Hotel Waitz in Mühlheim, und Sängerin Maizie hatte in der Sudentenstraße auch mal eine Wohnung", erzählt Lang, der auch auf die Familie Jäger traf. "Sie haben den Bugatti von Maizie gewartet."
Und auf der Tankstelle zwischen Lämmerspiel und Hausen gab es ein großes Wiedersehen mit Maizie Williams. Zur Überraschung der Filmemacher liefen ihre Bemühungen, die Subjekte ihrer Begierde vor die Kamera zu locken, nicht ins Leere. Sie sprachen auch die anderen Sängerinnen, Marcia Barrett und Liz Mitchell. "Nur Bobby Farrell haben wir drei Jahre lang hinterher telefoniert, denn wir wollten wissen wie lebt er heute, wie fühlt er sich jetzt mit 60?", formuliert Jacobs einen wichtigen Wunsch während des Drehs.
"Bobby galt ja immer als schwieriger Mensch, alle sagten, den kriegt ihr nie zum Gespräch." Dann kam es unerwartet doch dazu. Nach einer Après-Ski-Party in Neuss, wo er mit Bobby Farrell’s Boney M.-Show auftrat. "Wir waren sehr erstaunt, wie viel Power Bobby noch in seine Show legen konnte und erlebten ihn alles andere als bitter was seine Rolle als Tänzer von Boney M. betraf." Ende 2010 starb Farrell 61-jährig.
Sogar Frank Farian, der Erfinder von Boney M., der mit Hits wie "Daddy Cool", "Ma Baker", "Rivers Of Babylon" und "Rasputin" zum weltweit erfolgreichsten deutschen Produzenten avancierte, gab nicht nur seinen Segen zum Projekt, sondern stand – obwohl mitten in der Arbeit an seinem Lebenstraum, dem Musical mit den Hits seiner langen Karriere – Rede und Antwort. Natürlich trafen sie ihn aus Budgetgründen nicht auf Ibiza oder gar in Miami, sondern in seinem Studio im hessischen Rosbach. "Wir haben ihn als sehr bodenständigen Menschen, als Perfektionisten mit einem supermusikalischen Gespür, immer am Puls der Zeit, empfunden", schwärmt Lang über den lässigen Umgang mit dem Starproduzenten.
Hat sich der Mythos Boney M. durch 100 Stunden Filmmaterial und die intensive Auseinandersetzung mit den Helden der Kindheit verstärkt oder eher eine Entmystifizierung bewirkt? "Am Ende bleibt auf alle Fälle die Musik", findet Jacobs. "Allein im Schnitt haben wir die Musik 100.000 Mal gehört. Und das hat immer wieder Spaß gemacht." Man sagt ja immer, man solle die Stars der Jugend besser nicht treffen, um sich sein Traumbild zu erhalten. Aber Lang hält dagegen: "Sie sind für uns menschlich geworden. Das wollten wir auch zeigen, und ihre Schicksale, wie sie sich früher, jung und hungrig, auf ein Abenteuer eingelassen haben und heute, 30, 35 Jahre später, damit leben, ob es sie glücklich gemacht hat und auf was für ein Leben sie zurück schauen können."
Heute hat der Dokumentarfilm "Boney M. aus Lämmerspiel" Weltpremiere beim Lichter Filmfestival in Frankfurt und wird um 20 Uhr im Metropolis aufgeführt. Im Anschluss gibt es eine Party: Natürlich mit der Musik von Boney M.