Leslie Link
Hanau - Er sitzt unter dem Gitarrenhimmel und sagt: "Ich lebe noch, ich bin unschuldig." Ein bisschen macht den 63-Jährigen die plötzliche Aufmerksamkeit nervös, obwohl er im Showgeschäft zuhause ist. Von Erwin Diel
Journalisten geben sich in seinem Laden in der Hanauer Altstadt die Klinke in die Hand, das Radio lässt sich seine Geschichte erzählen. Die handelt von einer lange zurück liegenden Zeit, die allerdings bis heute nachwirkt. Es geht um Rock'n'Roll und Rhythm'n'Blues, um laute Musik und um eine Jugendrebellion. Die zählt heute zum einst verhassten Establishment und räumt Orden und Preise ab. Der Hanauer Vorzeige-Gitarrist jener Jahre, Harald Heinz Link, den alle nur als Leslie kennen, bekommt am Sonntag die August-Gaul-Plakette, die höchste kulturelle Auszeichnung der Stadt (15 Uhr, Roter Saal, Schloss Philippsruhe).
"Ich hab' nix gemacht", schüttelt Link die heute grau durchsetzten roten Locken und lächelt verschmitzt, weil der Satz natürlich so nicht stimmt. Musikalisch war der in Seligenstadt geborene junge Harald Heinz ein Frühstarter, dank Onkel Martin aus Zellhausen. Der hatte nicht nur eine Kneipe, sondern auch ein Knopfakkordeon und holte den Neffen auf die Bühne. Beim Zellhäuser Feuerwehrfest trat die Familienband erstmals auf, mit Polka und französischen Walzern; für 80 Mark Gage. Eine Fortsetzung der Festzelt- und Kneipenmusiker-Karriere stoppte dann das Jugendamt mit 500 Mark Bußgeld für Onkel Martin. Der Gitarrist war nämlich erst 13 - und hatte musikalisch inzwischen sowieso andere Vorbilder.
Die hießen Elvis Presley und Little Richard oder Shadows und Spotnicks und spielten amerikanische Elektro-Gitarren. "Ich hab’ geübt wie ein Wahnsinniger", sagt Link. Morgens zwei Stunden vor dem Gang zur Lehre als Plakatmaler, in der Mittagspause und nach Feierabend wieder. Mit 14 gründet er seine erste eigene Band, die Mitspieler machen aus dem uncoolen Harald Heinz "Leslie and his Phantoms". Seitdem hat er seinen Namen weg. Beim Auftritt in Blankenbach im Kahlgrund schlug das Publikum die Einrichtung klein.
Mit den "Twens" werden Berufsmusiker auf den frühreifen Gitarrenhelden aufmerksam. Leslie schmeißt die Lehre und steigt bei der Band ein. "Zuhause war helle Aufregung." Von der ersten eigenen Gage erfüllt er sich einen Gitarrentraum, kauft sich eine Gretsch Country Gentleman und einen Vox-Verstärker wie ihn die Beatles spielten. "Jetzt hatte ich den Weltmeisterton." Der sägte auf der Bühne aber nur, bis die Ordnungsbehörde kam. Dann musste Leslie in den Keller, er war noch minderjährig. Zwei "Twens" wollten daher sogar für den vaterlos aufgewachsenen Link die Vormundschaft übernehmen. Das aber klappte nicht.
Mit den "Twens", mit den "Hitcats", der "Heiko Hens Combo" und "The Baggers" tourte Link durch Kneipen und Säle, musste von Mama aufgepäppelt werden, als die Fünfstunden-Auftritte jeden Samstag und Sonntag bis tief in die Nacht zum Zusammenbruch führten. Ein Angebot der "Rattles", der damals bekanntesten deutschen Beat-Band, schlug er aus.
Die Ruhe vor dem großen Durchbruch. Den schafften Leslie Link, der Bassist Heini Mohn, Sänger Peter Bischof und Schlagzeug-Gott Curt Cress mit der Band "Orange Peel". Die Hanauer nahmen Platten auf, tourten mit Rock- und Bluesgrößen wie Chuck Berry, der Spencer Davis Group, Black Sabbath oder Deep Purple. In Frankreich landete die deutsche Band gar einen Nummer 1-Hit.
"Wir wurden in Paris empfangen wie die Beatles", erinnert sich Link. Eine große Frankreich-Tournee scheiterte am Management, "Orange Peel" trennten sich nach internen Querelen 1971.
Er sei danach emotional in ein tiefes Loch gestürzt, sagt Link, damals gerade 24 Jahre alt. Er wechselte die Seiten, wurde vom Gitarrenspieler zum Gitarrenhändler. 1976 eröffnete er seinen ersten Laden, seit 1984 führt er „Links Musical Instruments“ zusammen mit seiner Frau Sonja.
Gab es Anfangs vor allem exklusive Instrumente für betuchte Rockstars, findet inzwischen auch der Nachwuchsvirtuose mit schmalem Geldbeutel vom Experten ausgesuchtes und eingestelltes Handwerkszeug im Laden an der Großen Marktstraße.
Bis auf ein paar Auftritte mit den alten Kumpels von Orange Peel hat sich der "Hendrix von Hanau" auf den Bühnen rar gemacht. Spaß am Spiel hat er immer noch, arbeitet sogar an einer CD mit eigenen Titeln. Rock, Jazz, Country, Blues. "Die Musik muss berühren", sagt Bluesbrother Leslie, "da bin ich 'im Auftrag des Herrn' unterwegs."