Isabel Ment

Artikel Offenbach Post, 10. Januar 2014:

 

„Ich höre von allem das Beste“

 

Dietzenbach -  Das Gelbe vom Ei spielt eine große Rolle im Leben von Isabel Ment. Die 19-Jährige Musikerin hat früh gelernt, selbst zu entscheiden, was gut für sie ist. „Im Sommer 2010 bin ich mit meiner Familie in die Nähe von Boston gezogen. Von Katharina Hempel

 

Musik ist für Isabel Ment Kommunikation in ihrer höchsten Form: „Sie ist universal, spricht alle Sinne an und erreicht Menschen auf einer anderen Ebene, ohne Sprache nutzen zu müssen.“
Musik ist für Isabel Ment Kommunikation in ihrer höchsten Form: „Sie ist universal, spricht alle Sinne an und erreicht Menschen auf einer anderen Ebene, ohne Sprache nutzen zu müssen.“

Ich war damals 15 und wollte Dietzenbach und meine Freunde nicht verlassen. Ich war total unglücklich. Aber in ein fremdes Land zu ziehen, hat auch einen großen Einfluss auf den Charakter: Wenn dich keiner kennt, merkst du erst, wer du wirklich bist“, erzählt die ehemalige Heinrich-Mann-Schülerin, die seit dem vergangenen Sommer wieder in Dietzenbach lebt.

Als Teenager in der Kleinstadt Westford, Massachusetts, beginnt Isabel Lieder zu schreiben und vorzuspielen. An ihrer Highschool wird Musik sehr gefördert. Isabel singt über Dinge, die sie bewegen oder inspirieren. „Immer, wenn mir etwas einfällt, notiere ich die Ideen oder Verse. Ich habe überall beschriebene Zettel rumliegen“, erzählt die Tochter einer US-Amerikanerin und eines Deutschen. „Wenn ich mit der Gitarre improvisiere und eine Melodie gefunden habe, suche ich bereits geschriebene Texte raus, die dazu passen könnten. Oder mir fallen spontan die passenden Worte ein. Dann halte ich an, schreibe auf, spiele weiter. Stoppe wieder, streiche durch, verbessere. Das ist wie Gedichte schreiben.“

 

Raus aus Schubladen

 

Viele ihrer amerikanischen Schulfreunde sind Musiker. Trotzdem will sie nicht in die Musikerecke geschoben, sondern als Individuum wahrgenommen werden. „An meiner Schule gab es tatsächlich die Sportler, die Nerds, die Theaterleute. Ich habe erstaunlich viele Klischees bestätigt gefunden, auch wenn ich versucht habe, gar nicht erst danach zu suchen“, erinnert sich die 19-Jährige. „Aber ich wollte ich sein und nicht über meine Zugehörigkeit zu einer Gruppe definiert werden. Die Frage von Gleichaltrigen: ,Mit welchen Leuten hängst du ab?’ war Standard. Sie wollen immer wissen, in welche Schublade sie dich stecken können. Ich wollte das nicht und habe mir meine Freunde überall gesucht. Das war nicht immer leicht, aber man muss sich eben das Gelbe vom Ei rauspicken.“

 

Das gilt auch für die Musik. Auf eine Stilrichtung, die sie am liebsten mag, kann Isabel sich schwer festlegen. Mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu: „Ich würde sagen, ich höre von allem das Beste. Ich mag und spiele sehr gerne Jazz. In den USA habe ich auch in einer Jazzband gesungen. Außerdem mag ich Singer-Songwriter aus allen Zeiten.“ Zum Beispiel James Taylor, Simon and Garfunkel oder Joni Mitchell. Aber auch Ingrid Michaelson. „Die ist moderner. Sie habe ich in Frankfurt für zwölf Euro gesehen, bevor sie berühmt wurde. Ihre Musik hat mich beeinflusst. Sie hat sich mit ein, zwei Instrumenten auf die Bühne gestellt und ein komplettes Konzert gegeben, ohne dass es dem Publikum langweilig wurde. Das zeugt von wahrer Musikalität, finde ich.“ Auch Isabel muss ihre Musikalität nicht verstecken. Ihre kreativen Wurzeln reichen tief: Mit sieben Jahren bekommt sie Klavierunterricht. Mit 13 bringt sie sich das Gitarrespielen in Eigenregie bei. Isabel singt, seit sie klein ist. „Meine Familie ist sehr musikalisch, ich hatte also nicht wirklich eine Wahl“, gesteht sie. „Meine Mutter ist Sängerin, meine Großmutter Opernsängerin. Da konnte ich mir einiges abschauen.“

 

Die ruhige Schiene

 

Wie sich das anhört, das konnten die Besucher ihres Konzerts erleben, das sie im Herbst in Reiner Wagners „Theater Schöne Aussichten“ gegeben hatte. „Das lief unter dem Titel ,Acoustic Autumn’, ging also auf die ruhige Schiene“, sagt Isabel. Als nächster Auftritt steht der Neujahrsempfang der Stadt an diesem Sonntag in ihrem Kalender.

Musik ist Isabels Leidenschaft, davon leben will sie nicht. „Meine Theorie ist: Wenn man mit dem, was man liebt, Geld verdient, macht es einem irgendwann keinen Spaß mehr, wenn man dafür nicht mehr finanziell belohnt wird. Und die Liebe zur Musik zu verlieren – das wäre schrecklich.“

Tiere sind Isabels zweite große Liebe. Deswegen war ihr immer klar, dass sie Tierärztin werden will. Nach ihrem Highschool-Abschluss im vergangenen Sommer kehrte Isabel für ihr Studium nach Deutschland zurück. College in den USA kommt für sie nicht in Frage: „Ich habe noch eine kleine Schwester und wollte meinen Eltern nicht zumuten, dass sie jedes Jahr 50 000 Dollar für mein Studium aufbringen müssen.“ Leider hat es mit dem Studienplatz bislang noch nicht geklappt. Isabel überbrückt die Wartezeit mit einer Ausbildung zur Tierarzthelferin. Man muss schließlich immer wieder versuchen, das Gelbe vom Ei zu finden.