Club 8
Artikel Offenbach Post, 24. Februar 2021:
Livemusik via Internet frei Haus
Musiker leiden besonders unter der Pandemie, da sie nicht auftreten können. Eine Alternative in schwerer Zeit bieten die Streaming-Konzerte aus dem Club 8 in Neu-Isenburg.
Neu-Isenburg – Eigentlich wäre Frank Müller im vergangenen Jahr mit Lenny Kravitz auf Tournee gegangen. Nach drei Wochen Proben in Los Angeles sollte der Tross nach Australien und Neuseeland aufbrechen, um danach kurz in die Staaten zurückzukehren und dann zu einer Europatournee aufzubrechen. Wegen der Covid-19-Pandemie musste alles abgesagt werden.
Ein herber Schlag. Seit Sommer 2009 gehört Müller als Tontechniker zur Crew des US-Rockstars, macht ihm den Sound und ist dank dieses Jobs schon zwei Mal um die Welt gereist.
Auf einmal saß er in Neu-Isenburg fest. Auch da gab es für ihn und seinen Partner Florian Fischer im Lockdown wenig zu tun. Unter dem Namen 8 Days A Week bestücken sie als Veranstaltungstechnik-Dienstleister Konzerte und Festivals – so zum Beispiel das Open Doors in Neu-Isenburg – mit Licht und Ton. Die Technik stand plötzlich ungenutzt im Lager. „Als Corona vor einem Jahr begann, beschlossen wir nach einer Woche Selbstmitleid, das Equipment hier in unserer Halle zu einem TV Streaming-Studio umzubauen und haben es in Anlehnung an die 8 in unserem Namen kurzerhand ,Studio 8 Streaming’ genannt“, erzählt Müller.
Von Ostern 2020 an wurden bis dato siebzig Konzerte live via Internet frei Haus geliefert. „Ende letzten Jahres haben wir entschieden, alles umzubauen und zu vergrößern“, fanden die „Studio 8“-Macher schnell Gefallen am neuen Tätigkeitsfeld. „Mittlerweile haben wir auf rund 500 Quadratmetern Fläche drei Szenen aufgebaut.“ In den Kulissen können sich Musiker und Musikerinnen richtig inszenieren lassen und haben dann überdies ein perfektes Live-Video.
Am Anfang waren Coverbands wie The Gypsys und die Beatles Revival Band am Start. Chris Tucker, der bei der Beatles Revival Band die Rolle des John Lennon inne hat, gefiel die Idee des „Studio 8 Streaming“ so gut, dass er spontan seine Mitarbeit anbot. So wurde aus den reinen Konzertübertragungen der „Club 8“, der wöchentlich mit Tucker als Moderator und Interviewpartner sowie einem professionellen Team, das dafür gerne viel Freizeit opfert, produziert wird. Seither bucht er außerdem 90 Prozent des Programms. Und das sind Künstler mit eigenen Songs in einer großen stilistischen Bandbreite vom Ivan Santos Trio mit afro-brasilianischen Grooves über Sun’s Sons mit Songwriter-Indie-Pop bis zur Neu-Isenburgerin DanaMaria mit ihrer Country-Interpretation.
„Original-Repertoire deshalb, weil ich es interessant finde mit den Künstlern über ihre Kreationen, ihr Songwriting und die Umsetzung ihrer Ideen zu reden“, erklärt Tucker das modifizierte Konzept, das unterschiedlichste musikalische Genres berücksichtigt. „Es geht einmal darum diese Vielfalt zu präsentieren, aber auch einfach zu schauen, wie wir eine solche Aufgabe, eine unterhaltsame und zudem informative Sendung zu produzieren, hinbekommen“, formuliert Tucker den Anspruch hinter dem „Club 8“. „Natürlich gefällt nicht jedem Zuschauer jede Sendung, aber es sollte im Prinzip für jeden Musikfan in jeder Altersgruppe etwas dabei sein.“
Da die Streams, die allesamt hinterher noch auf dem „Studio 8“-YouTube-Kanal zu sehen sind, frei zugänglich und kostenlos sind, lässt sich damit kein Geld verdienen. Für Müller ist es eine „Image-Werbung“, über die durchaus Aufträge zu erzielen sind. Denn die Location und ihre Ausstattung sind multifunktional mietbar.
Für die Musiker und Musikerinnen ist der Benefit ohnehin offensichtlich. Und Tucker kann sich nicht nur über die zumeist glücklich strahlenden Gesichter der Musiker in den harten Zeiten des viel zitierten Berufsverbotes ohne Auftritte freuen, sondern auch über viele begeisterte E-Mails oder die Live-Chats während des Streamings. „Und es ist spannend mitzubekommen, wie die ganze Musikwelt vernetzt ist, wie sich die Kreise immer wieder schließen und man das gar nicht vorher so bewusst wahrgenommen hat“, freut sich Tucker über viele neue Erfahrungen.
Der nächste Gast im „Club 8“ ist der Singer/Songwriter Robert Carl Blank mit den String Poets. Der Livestream ist geplant für Montag, 1. März, 20 Uhr. (Von Detlef Kinsler)
Artikel Offenbach Post, 9. Juni 2021:
Wenn man wie Frank Müller und Florian Fischer eine ganze Halle mit hochwertiger Veranstaltungstechnik voll stehen hat und es plötzlich pandemie-bedingt keine Tourneen und Festivals mehr gibt, die man mit Licht und Ton bestücken kann, kann man resignieren oder sich kurzerhand neu erfinden. Letzteres taten die beiden Geschäftsführer der 8 days a week GmbH in Neu-Isenburg.
Neu-Isenburg - „Als Corona begann beschlossen wir nach einer Woche Selbstmitleid, das Equipment in unserer Halle zu einem TV-Streaming-Studio umzubauen und haben es in Anlehnung an die 8 in unserem Firmennamen kurzerhand ,Studio 8 Streaming’ genannt“, ließ Müller unsere Redaktion in einem Gespräch im vergangenen Jahr wissen.
Im April 2020 kamen die ersten Konzerte aus der Dornhofstraße frei Haus, zunächst mit Coverbands, die man kannte. Dann stieß Chris Tucker, der in der aktuellen Besetzung der Beatles Revival Band den John Lennon gibt, als Moderator zum Team und buchte Musiker, die ihre eigene Musik präsentierten und die man im Gespräch dazu befragen konnte.
Niemand ahnte im vorvergangenen Frühjahr, dass das Thema Covid 19 die Gesellschaft so lange begleiten würde. Streaming-Konzerte sah man als ein aus der Not der Zeit heraus geborenes temporäres Phänomen an. Allerdings haben die Streams aus dem Jazzkeller in Frankfurt, aus dem Hessischen Rundfunk mit der hr-Bigband wie auch der „Bühne frei!“-Aktion, die hessischen Künstler eine Plattform bot, ein beachtliches Eigenleben entwickelt. Auch der Club 8 reihte sich da mit seinen regelmäßigen Programmen ein. Jetzt, wo es das Wetter und die Inzidenzzahlen möglich machen, wieder Kultur unter freiem Himmel anzubieten, und viele Clubs und Veranstalter in der Region die Chance nutzen, ihr Publikum wieder zu beglücken, könnte es sein, dass das Interesse an Musik auf dem Bildschirm erlischt.
„Wir wollen den Club 8 auf jeden Fall weiter produzieren“, erzählt Müller, dass man zuletzt gar nicht mehr über Corona und etwaige Öffnungen einzelner Veranstaltungsorte nachgedacht habe. „Wir wussten nur, dass wir eine Sommerpause einlegen wollen, weil wir einfach mal Urlaub brauchen.“
Doch danach soll es weiter gehen: „Denn Sendungen, bei denen es um Live-Musik geht, gibt es nicht mehr viele. Das ist unserer Meinung nach ein guter Ansatz.“ Die nächste Staffel wird dann im Rahmen der vom Land geförderten Reihe „Ins Freie“ gedreht, also auch mit Publikum in unterschiedlichen Locations der Region. Danach geht es zurück in die Halle. „Der Club 8 ist für uns keine temporäre Angelegenheit“, verspricht er. Bewerbungen kann man jetzt schon an club8@8daw.de richten.
Vorrangig kommerzielle Interessen spielten für 8 days a week bei all dem Engagement eher keine Rolle. Die Streams sind kostenlos, haben aber mehr als einen nur ideellen Wert für Müller und Fischer. Sie können diese durchaus als Werbemaßnahme nutzen, die neue Kunden bringt. Insofern ist es auch finanziell interessant für die Veranstaltungsdienstleister. „Wir haben uns aber die Aufgabe gegeben, eine Art ,Kulturgrundversorgung’ in Sachen live gespielter Musik für das Rhein-Main-Gebiet anzubieten. Es geht nicht darum, das Live-Erlebnis durch ein Streaming-Konzert zu ersetzen. Aber es ist eine sinnvolle Ergänzung.“
Die wöchentliche Begegnung mit vielen regionalen Acts war eine interessante Erfahrung für ihn. „Ich hatte die lokale Szene in den letzten Jahren total aus den Augen verloren, weil ich doch sehr viel auf Tour war“, reiste Müller als Mitglied der Techniker-Crew allein zwei Mal mit Lenny Kravitz um die Welt. „Und wenn ich dann zuhause war, hatte ich nicht wirklich große Lust auf Live-Musik“, sagten ihm die meisten Namen, mit denen er sich beim Club 8 konfrontiert sah, nichts. Romie? DanaMaria? Nie gehört. „Jetzt bin ich total begeistert von der Qualität der Bands“, schwärmt er.
Drei Termine gibt es noch im Juni mit der Ina Morgen Band (14. 6.), Thursday in March (21. 6.) und Breitenbach (28. 6.). Das Quartett um den Sänger und Gitarristen Toby Breitenbach stellt sein neues Album „L8 Night – Live&Acoustic“ mit Unplugged-Versionen der kraftvollen Rocksongs vor. Die 16 Titel wurden übrigens bei ihrem letzten Konzert in Neu-Isenburg mitgeschnitten und sind ein gutes Beispiel dafür, welch kreative Früchte die Zusammenarbeit mit 8 days a week auch tragen kann.
» youtube.com/ studio8streaming
Von Detlef Kinsler