Musik Renz

Das Geschäft in der Bieberer Straße 28 (Aufnahme 1980)
Das Geschäft in der Bieberer Straße 28 (Aufnahme 1980)

Gegründet wurde der Musikalienhandel 1932 von Arno Albert Renz, der in diesem Jahr zusammen mit seiner Frau Hertha aus dem Vogtland nach Ofenbach gezogen war und in der Kaiserstraße 34 (gegenüber der Firma Goldpfeil) den Laden des Zitterbauers Eckel übernahm. Die Kundschaft setzte sich in den Anfangsjahren hauptsächlich aus den Mitgliedern der damals zahlreichen Handharmonika-Vereinen zusammen. Nach der Zerstörung der Geschäftsräume im Zweiten Weltkrieg wurde der Laden 1948 in der Bieberer Straße 28 in den ehemaligen Geschäftsräumen der Pralinenabteilung der Bäckerei Luft wiedereröffnet.

Am 1. April 1967 wurde der "Musik Renz" von dem echten Offenbacher bzw. Bürgeler Manfred Büttner (geb. 1932) übernommen. Dieser hatte den früheren Inhaber zunächst als Kunde kennen gelernt, machte dann dort ein Praktikum und übernahm von da an die anfallenden Reparaturarbeiten.

Der gelernte Maschinenbauer erkannte schnell die Zeichen der Zeit und war in weitem Umkreis einer der ersten, der seine Aufmerksamkeit dem wachsenden E-Gitarrenboom widmete. Zu dieser Zeit baute Jimmy Marshall in England seine ersten Verstärker, die der Deutsche Peter Strübe ziemlich bald unter dem Markennamen "Marquee" kopierte. Auch andere deutsche Unternehmen wie Framus, Schaller oder Höfner fingen nun verstärkt an, E-Gitarren und Verstärker zu bauen, meistens Kopien von den damals für Amateure unerschwinglichen Originalmodellen. Schnell wurde der "Musik Renz" hauptsächlich für die jungen Rockmusiker zur ersten Adresse. Auch wenn die Geschäftsräume vergleichbar klein waren, Manfred Büttner hatte von der Strat (Original oder Kopie), über die damals populären Verstärkermarken Vox, Hi-Watt und Sound City alles, was das Herz begehrte, oder war zumindest in der Lage die Instrumente mit angemessenen Lieferzeiten zu bestellen (auch wenn mancher Kunde sich mit dem schwachen Trost "ist noch auf dem Schiff unterwegs" in Geduld üben musste). Legendär wurde und ist bei den älteren Musikern noch heute das berühmte schwarze Buch, in dem Manfred Büttner über die Ratenzahlungen (wo konnte man das damals sonst noch machen?) seiner Kundschaft Buch führte. Kaum ein ernsthafter (oder auch weniger ernsthafter) Musiker, der nicht irgendwann einmal bei Manfred Büttner Schulden gemacht hatte. Attraktiv war der "Musik Renz" vor allem aber auch deshalb, weil Manfred in den meisten Fällen auch das noch so ausgefalle Ersatzteil irgendwo in einer seiner vielen Kisten hinter dem Tresen ausfindig machen konnte. Nicht zu vergessen das schwarze Brett vor der Eingangstür, das vor allem als Kontaktbörse (Schlagzeuger gesucht etc.) für die Offenbacher Musikszene unschätzbaren Wert bedeutete.

2002 wurde der Laden in der Bieberer Straße geschlossen. Seitdem wird das Geschäft von Sohn Thilo Büttner weitergeführt. Die Geschäftsräume befinden sich nun in Hausen in der Pfarrer-Schwahn-Straße 23, wo Manfred Büttner schon seit 1982 eine Außenstelle hatte bzw. ein Lager besaß.

Manfred Büttner, der selbst Schlagzeug, Geige und Saxophon spielte, war bis ins hohe Alter noch musikalisch aktiv. Ende 2024 wurde auch das Ladengeschäft in Hausen endgültig geschlossen.

 

1976: v.l.n.r.: Inhaber Manfred Büttner, Thomas Reußenzehn, Reiner Wolff (dr, Kunde), (?)
1976: v.l.n.r.: Inhaber Manfred Büttner, Thomas Reußenzehn, Reiner Wolff (dr, Kunde), (?)
Das Geschäft in Hausen (2010)
Das Geschäft in Hausen (2010)

 

Artikel Offenbach Post, 11. März 2017

 

 

Familie Büttner führt seit 50 Jahren Musik Renz

 

Instrumente sind ihre Leidenschaft

 

Manfred und Thilo Büttner in ihrem Obertshausener Geschäft: Während Manfred Büttner ein Sopran-Saxofon in der Hand hält, präsentiert Thilo Büttner eine Sopran-Ukulele. Der Junior spielt mit seiner Band spanische und südamerikanische Musik. © Michael
Manfred und Thilo Büttner in ihrem Obertshausener Geschäft: Während Manfred Büttner ein Sopran-Saxofon in der Hand hält, präsentiert Thilo Büttner eine Sopran-Ukulele. Der Junior spielt mit seiner Band spanische und südamerikanische Musik. © Michael

 

Obertshausen - Musik Renz – das Fachgeschäft aus dem Herzen Offenbachs hat sich weit über die Lederstadt hinaus einen Namen gemacht. In diesen Tagen feiert es in Hausen ein stolzes Jubiläum: Vor 50 Jahren hat Manfred Büttner den Treffpunkt für Anfänger und Profis übernommen. Von Michael Prochnow 

 

Eigentlich könnte die Firma schon 120-jähriges Bestehen feiern. Um 1900 eröffnete der Zitherbauer Eckel einen Laden in der Offenbacher Kaiserstraße. Über diesen Teil der Historie gibt es keine Dokumente mehr. Klar ist aber, dass Arno Albert Renz aus Erlbach im Voigtland 1932 das Geschäft übernahm. "Er wäre verhungert, wenn er nicht nach Hessen ausgewandert wäre", erfuhr sein Nachfolger Manfred Büttner.

 

Im Krieg wurde das Haus vis a vis von Goldpfeil ausgebombt. 1948 zog Renz in die Bieberer Straße 28. Seit dem 1. April 1967 führte Büttner das Unternehmen auf engstem, aber hohem Raum. Gitarren baumelten von der Decke des kaum 32 Quadratmeter großen Ladens, für die Schlagzeuge mietete Büttner den ersten Stock hinzu.

 

Die Geschichte von Musik Renz ist heute die Geschichte des Manfred Büttner. Die Eltern ermöglichten dem Fünfjährigen das Violinen-Spiel. Nach dem Krieg, erinnert er sich noch genau, hat er im amerikanischen Soldatensender AFN einem Klarinettisten gelauscht. Die Mutter kaufte ein gebrauchtes, buchsbaumfarbenes Instrument. In ein Handtuch gewickelt, brachte er es per Fahrrad durch die Frankfurter Trümmerlandschaft zum Klarinettenbauer Über. Dieser reparierte es ihm für 150-Gramm-Fleischmarken. Büttner hat beim Lehrer Döbert gelernt. Von 1950 spielte er in zwei Bands das Schlagzeug, dann war ein Saxofon gefragt. Mit seinem Vater hat er bei Renz für 550 Mark ein Instrument auf Raten gekauft.

 

Der Sohn lernte bei Wilhelm Stöhr, heute Dematic, den Beruf des Betriebselektrikers, stellte Förderanlagen und Aufzüge her. Büttner machte nebenbei in Friedberg seinen Maschinenbau-Ingenieur, dann wechselte er in die Geschäftsführung des Styropor-Verarbeiters Poron nach Mühlheim. Nachdem die Firma in Markwald 1965 abgebrannt und an Gummi-Metzler verkauft war, musste er einige Jahre nach Erbach zur Arbeit fahren.

 

Zwischen Manfred Büttner und Albert Renz hatte sich eine Freundschaft entwickelt. Der Ingenieur wollte sich selbstständig machen, da passte es, dass der Händler sein Geschäft abgeben wollte. Das unscheinbare Lädchen war längst ein beliebter Treffpunkt für fachsimpelnde Blasmusiker, spezialisiert auch auf Handzug-Instrumente wie Akkordeons, Harmonikas und Zithern.

 

Als der geschätzte Musiker Büttner einstieg, begann gerade die Hoch-Zeit der Elektro-Gitarre. "Der Lötkolben stand immer auf der Theke", erzählt er, ständig galt es, ein Kabel oder einen Stecker zu reparieren, und es gab selbst in Frankfurt keinen Kollegen, der sich mit Elektronik beschäftigt hat. In dem Kult-Laden traf sich alles, was Rang und Namen hatte: Buddy Caine aus Offenbach, Schlagersänger Costa Cordalis, der damals in Heusenstamm wohnte, "Silverbird"-Sängerin Tina Rainford, Komponist Michael Cretu, Entertainer Frank Raimond, die McHills Company und die Beatles Revival Band. "Damals hat jeder Sänger und Conferencier seine eigene Anlage mitgeschleppt, Verstärker, Echomaschine, zwei Boxen, am besten einen Turm von Marshall." Der hat 6 500 Mark gekostet, "gehörte für Beat-Musiker halt dazu". Bis Ende der 80er, dann installierten viele Veranstalter eigene Anlagen.

 

Eines Tages stand der oberste Boss der Firma Yamaha vor der Theke, präsentierte die neuesten elektrischen Gitarren. Dazu kam durch den günstigen Dollar-Kurs viel amerikanische Ware ins Land. Für eine Fender-Gitarre waren nicht mehr 1900, sondern nur noch 1200 Mark zu bezahlen. Mitte der 70er war die Konzertgitarre wieder gefragt, "weil in Frankfurt Gitarrenpapst Professor Teuschert unterrichtet hat".

 

Es folgte die Zeit der Heimorgeln. Die hatten Lieferzeiten von bis zu eineinhalb Jahren. "Wenn man diese nicht auf der Musikmesse im April geordert hat, hatte man im Dezember keine fürs Weihnachtsgeschäft", berichtet der inzwischen 84-Jährige.

 

Heute fordern die Repräsentanten der großen Marken Ausstellungsfläche, geschulte Mitarbeiter, die T-Shirts mit ihrem Logo tragen, und Instrumente gegen Vorkasse. "Es geht um Masse und Volumen statt um Qualität", kritisiert Thilo Büttner, der das Geschäft vor 14 Jahren vom Vater übernahm. Der Junior spielt Trompete und Gitarre. Bereits 1980 entstand eine Filiale am Wohnort an der Pfarrer-Schwahn-Straße, die 2000 erweitert wurde. 2002 schlossen die Büttners den Laden in Offenbach.

Zu den Kunden zählen viele Musikschüler, denen er eine neue Saite auf die Geige ziehe. Eltern wählen gerne den Mietkauf, zahlen für eine Violine acht Euro im Monat und können sie nach einem halben Jahr wieder zurückgeben. Und weil die Toleranz der Nachbarn nicht mehr so groß sei, stehe in der teuren Eigentumswohnung ein Elektropiano mit Kopfhörer, ab 600 Euro zu haben, oder es wird auf einer virtuellen Tastatur am Computer geübt. Ein Klavier beginnt bei 3500 Euro.

 

Die akustischen Schlagzeuge haben sich "ganz still verabschiedet", im Ausstellungsraum hat Thilos Schwester ihre Schneiderei eingerichtet. "Sound und Spielgefühl der Percussion-Computer entsprechen heute einem akustischen", bestätigt der Experte. "Der Markt ist schnelllebig", zeigt der Elektroingenieur auf die handlichen Cajons, auf Reihen von Gitarren und kleine Ukulelen. Wieder einmal seien akustische Instrumente angesagt, das Geschäft mit den elektronischen stagniere.

 

"Ein Instrument zu lernen,ist ein langer Weg", weiß Thilo, und das gehe nicht per Internet. Doch ausgerechnet der Musikunterricht falle an den Schulen am häufigsten aus. Dabei fördere das Musizieren auch kognitive Fähigkeiten, diene der Entspannung. Nach Meinung des 48-Jährigen werde auch seitens der Kommunen zu wenig in Kultur investiert, obwohl die auch die Integration fördere.

 

Weil es immer weniger Kollegen gibt, kommen Kunden selbst aus dem Taunus und dem Odenwald oder auch aus Linsengericht nach Hausen. Bis nach Argentinien und Australien werden Instrumente von der Blockflöte bis zum Fagott mitgenommen. So könnte es noch 50 Jahre weitergehen!

 

Homepage: www.musik-renz.de