Crazy Cats

 

Artikel Offenbach Post, 22. Juli 2011:


"Man muss darauf tanzen können"


Kaum zu glauben, aber es ist 20 Jahre her, dass "Tom Jet" zum ersten Mal seine Saiten auf einem Biertisch liegend zupfte. So kennen und lieben ihn seine Fans, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen – und das Beste aus fünf Jahrzehnten im Repertoire. Von Michael Prochnow

Thomas Jeutter alias Tom Jet (mit Sonnenbrille) und Christine Löb alias Christin feiern 2011 ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum.
Thomas Jeutter alias Tom Jet (mit Sonnenbrille) und Christine Löb alias Christin feiern 2011 ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum.

Tom Jet alias Thomas Jeutter ist die Musik eigentlich in schon in die Wiege gelegt worden. Die "Crazy Cats", Tom und Christin', gibt’s aber erst seit 1991. Okay, eigentlich schon seit 22 Jahren, aber "vorher haben wir ja nur rumprobiert", sagt Thomas Jeutter.

 

Die Karriere des jungen Jeutter war vorgezeichnet: Geboren in Nachbarschaft zur Traditionsgaststätte Krone übte er mit zehn, elf Jahren bei der Musikschule Jentsch klassische Gitarre. "War aber langweilig", befand Teenager Thomas.

Interessanter war die Scheune hinterm Haus, da probte die große Schwester mit ein paar Freunden, die nannten sich später "Rodgau Monotones". Tom saß dabei, als sie noch "Blues Authority" hießen. Etüden-Üben war abgemeldet, Schlagzeug angesagt, "das Instrument der Freiheit", strahlt der Unternehmer. "Die Basis für das, was ich heute mache".

 

Die echte Grundlage fürs Musikverständnis, berichtigt er sich rasch, habe er vor der Konfirmation bei Pfarrer Lotz und mit der "Mundorgel" bekommen. "Wer Fahrtenlieder spielen kann, kann alles spielen!" Es folgten Einzelunterricht, und zur Förderstufenzeit in der Joseph-von-Eichendorff-Schule seine erste Band, "Tohuwabohu". Da spielten sie Pop und Rock, auch Blues, "eben alles, was man im Radio gehört hat". Als junger Bursche hat er fast überall mal gespielt. Mit den "Colorados" trat er in Los Angeles sechs Wochen auf.

 

"Der Verrückte mit der bunten Brille"

 

Christin' alias Christine Löb begann mit dem Akkordeon, sang in Kinder- und gemischten Chören und begründete die Gruppe "Muddy Ditch", die kräftig rockte. Dann schloss sie sich "Soundtrack" an, einer "Top Fourty Band" aus dem Ostkreis. Längst waren Tom und Christin’ ein Pärchen, als ein befreundeter Autoverkäufer ein Duo suchte, das in Steinau den Renault Clio präsentierte. Unter dem Motto "Made in Paradise" sollte es "Adam und Eva" darstellen. "Weil wir aber mehr Musiker als Moderatoren waren, haben wir das in Musik verpackt und sind so um das Auto herum gerockt", erzählt der "Adam".

 

Das war der Startschuss. Die Zwei lernten einen Manager kennen, der sie überredete, das Singen zum Beruf zu machen. Tom hatte als Maschinenbautechniker bei der Ymos AG angefangen, wo er dann selbstständig Aufträge abarbeitete. Christin’ war Fremdsprachensekretärin bei Dunlop und Löbro in Hanau.

 

Mit sieben schrillen Formationen repräsentiert Jeutter heute ein halbes Jahrhundert weltweit erfolgreiche Musik. Der original Rock’n’Roll der 50er und 60er Jahre ist die Sache der Starlighters, die MTGs spielen den so genannten Classic-Rock der 70er und 80er á la Deep Purple, Queen, Santana und Eric Clapton.

 

Toms Jet Set steht für alles, was sich in den Hitparaden hielt, "was die Leut’ halt kennen", was auch die jüngere Generation vom Hocker reißt. Dazu zählen eine Bon-Jovi-Nummer und Malle-Atmosphäre. Dann gibt’s noch die "Coming Home Blues Band" mit Toms Schwester Ute.

 

Artikel Offenbach Post, 25. Januar 2019

 

Bald als Gast ein bisschen lästern

 

Crazy-Cats-Sängerin Christine Kehrein verabschiedet sich von der Bühne

 

Ein eingespieltes Team: Mehr als 30 Jahre stand Christine Kehrein gemeinsam mit Tom Jet auf der Bühne. © M
Ein eingespieltes Team: Mehr als 30 Jahre stand Christine Kehrein gemeinsam mit Tom Jet auf der Bühne. © M

 

Obertshausen – Sie haben die ganze Welt gerockt! Die Crazy Cats pflegten den Rock 'n' Roll in seiner schönsten Form auf allen Kontinenten, erhielten immer wieder Auszeichnungen aus der Musikwelt. Von Michael Prochnow

 

Jetzt hat sich Christine Kehrein, die im Künstlernamen auf das "e"verzichtet, von der Bühne verabschiedet. Tom Jet macht alleine weiter – gemeinsam blicken die beiden Kultmusiker zurück auf 30 bewegte Jahre.

 

Thomas Jeutter hat schon lange vorher Musik gemacht. Bei der Ymos AG war er als Maschinenbautechniker beschäftigt, am Wochenende tingelte er mit der Colorado Showband durch die Turnhallen und Bürgerhäuser, in denen damals noch wilde Maskenbälle stiegen. Christin' aus Hanau-Steinheim war die Stimme bei der Band Soundtrack.

 

Schon mit acht Jahren ging sie mit ihrem Akkordeon und einer Instrumentalgruppe auf Tournee mit 60 Jungs des Hermann-Gesser-Knabenchors und den Regensburger Domspatzen. Dann hat sie bei Muddy Ditch heimlich mitgesungen, irisch-keltischen Folk-Rock, eigene Texte geschrieben und eine Gesangsausbildung genossen.

Ende 1989 begannen Tom und Christin' als Duo zu proben. Ein Kollege bei Ymos vermittelte den beiden ihren ersten Auftritt in einem Autohaus, um den neuen Renault Clio "Made in Paradise" zu präsentieren. Gesucht waren "Adam und Eva", und Tom meinte, nur lächeln ist langweilig. Also legten sie eine flotte Show mit Live-Musik aus dem Rock’n’Roll-Paradies hin.

 

Die Nummer sprach sich rum, bald erhielten die Crazy Cats Anfragen von anderen Autohäusern, Banken und Versicherungen, nach der Wende auch aus dem Osten. Den Namen haben sie übrigens mit ihrer ersten Bühnengarderobe in London gefunden. Zu den Kunden von Ted’s Corner zählten auch Bill Haley und Elvis Presley. Die Ozelot-Kostüme wurden Markenzeichen der "Cats".

 

"Wichtig sind authentische Auftritte, vom Musik-Mix bis zu den Kostümen", lautet Toms Credo. "Trotzdem muss das Programm jedermann ansprechen." Das tat es. 1991 wurden die Zwei für sechs Wochen in den deutschen Club nach Los Angeles eingeladen, rockten bei Roulade und Rotkohl, in einer Brauerei und vor Fernsehkameras. Und weil die "Cats from Germany" offiziell nicht arbeiten durften, bekamen sie neben freien Flügen, Kost und Logis ein dickes Mietauto und Taschengeld, begegneten hinter der Bühne Siegfried und Roy. Und jeden Tag saßen mehr Obertshausener am Frühstückstisch – "so startet eine Weltkarriere."

 

Ende der 90er nahm sie Walter Braun von einer Agentur aus Bad Ems als Manager unter seine Fittiche. "Die Chemie stimmte, wir konnten uns aufeinander verlassen".

Bis dahin arbeitete Tom noch als selbstständiger Unternehmensberater, die Industriekauffrau und Fremdsprachenkorrespondentin war Chefsekretärin in ihrer Steinheimer Heimat. "Ich stand freitags mit laufendem Motor vor ihrer Firma, um zu Auftritten durch die Republik zu starten", erinnert er sich. Das Duo musste sich irgendwann entscheiden – und die Wahl fiel auf ein Leben als professionelle Musiker.

Vereinsfeste am Wochenende, Messen, Verbandstagungen, Firmenfeiern und Parteitage unter der Woche: "Es ist so viel los auf dieser Welt", registrierten die Hessen. Einsam zogen sie mit dem einzigen Wagen auf der Autobahn Spuren in den Schnee von Bayreuth nach Emden. Es folgten Engagements in Berlin, Hamburg und Basel, auf Mallorca, beim Fasching in den Niederlanden und bei Karnevalisten in Köln, die sonst keine auswärtigen Künstler zulassen. Die beiden hatten stets einen Ton- und einen Lichttechniker dabei, oft Leute aus der jeweiligen Region, "das ist unser Qualitätsmerkmal", betont Tom.

 

Die Crazy Cats waren das Vorprogramm von Jürgen Drews, Wolfgang Petry und Modern Talking, spielten mit den Zillertalern, Kristina Bach und Wencke Myhre. Manche der Stars ließen sie nur nach der eigenen Vorstellung spielen, weil die Hausener mehr Stimmung verbreiteten als sie selbst. "Dieter Bohlen ist ein völlig unkomplizierter Mensch", plaudert Tom, Guido Cantz kam zum Aufwärmen in den Tourbus.

 

"Du nimmst Erfolgserlebnisse mit nach Hause", resümiert Christin', auch wenn das Touren natürlich auch anstrengend sei, "wochenlang nur in Hotels und im Kleinbus pennen", klagt Tom über "Rücken". Erholsamer war es bei den Aufträgen auf Kreuzfahrt-Schiffen. Für die ARD-Sendung "Verrückt nach Meer" wurden sie auch bei Landgängen von Kamerateams begleitet. Sie sahen so Madeira, schipperten von Sydney über die Philippinen nach Indonesien und Vietnam, fuhren von San Francisco nach Mexiko, durch den Panamakanal, in der Ostsee bis St. Petersburg, besuchten Spitzbergen, die Färöer-Inseln und Island.

 

"Es ist der schönste Job der Welt", Christin', die im Frühjahr 60 wird. Beim Konzert vor 10 000 Teilnehmern am Deutschen Wandertag mit Marianne Rosenberg in Detmold hatte sie Herzprobleme und musste ins Krankenhaus gebracht werden. "Ich hab den Anspruch an mich selbst, auf der Bühne 150 Prozent zu geben", sagt sie. Und das gehe eben jetzt nicht mehr. "Ja, Wehmut ist da", resümiert die Sängerin. "Man muss demütig sein, dankbar, dass es so geklappt hat." Jetzt wird sie als Gast die Konzerte ihres Kompagnons genießen, "und auch mal ein bisschen lästern", sagt sie und lacht.