Miles Smiles
Artikel Offenbach Post, 19. September 2023:
Jügesheim – "Miles Smiles" nennt sich eine Projektband, das sich dieses Studioalbums des überragenden Jazz-Trompeters Miles Davis annimmt. Was sie daraus machen, ist am Samstag, 23. September, 20 Uhr, im Keller der Maximal Kulturinitiative Rodgau an der Eisenbahnstraße zu hören. Tickets kosten die Besucher 18 Euro, Mitglieder zahlen 13 Euro. Das Album war 1967 Album Hof Che Bear und ein weiterer Meilenstein im Schaffen von Miles Davis, über den man sagt, er habe vier oder fünf Mal den Jazz erneuert. Schlagwerker Jens Joneleit ist Komponist von Orchesterwerken, Opern und auch Kammermusik. Trompeter Tom Schüler ist mit Joneleit Kulturpreisträger der Stadt Rodgau. Diese Auszeichnung haben auch Ali Neander (Git) und Matthias Dörsam (Sax) als Mitglieder der Rodgau Monotones erhalten. Sie pflegen aber seit Jahrzehnten auch eine Leidenschaft für Jazz, ebenso wie der Rodgauer Bassist Stephan Langer und Pianist Peter Glaßner. Das Sextett begeisterte 2019 mit seiner Neuinterpretation des Miles Davis Klassikers "Bitches Brew" (1969). Nun bearbeiten sie ebenso innovativ das Vorgängerwerk "Miles Smiles" (1966). Das Konzert wird gefördert von Jazz Connects durch den Kulturfonds Rhein-Main. siw
Artikel Offenbach Post, 27. September 2023:
Jens Loneleits Inflections-Sextett ohne Joneleit, von links: Strombassist Stephan Langer, E-Pianist Peter Glaßner, Joneleit-Ersatz Benno Sattler am Schlagzeuger, Gitarrist Ali Neander, Trompeter und Organisator Tom Schüler und Saxophonist Matthias Dörsam. Foto: mecora
Jügesheim – Profis halt, klar! Was so nicht ganz stimmt. Das eigentlich noch namenlose Sextett, das am Samstag das Publikum im vollen Konzertkeller des Kulturvereins Maximal so überaus glücklich machte, hat zwei Mitglieder, die zwar virtuos und professionell spielen, aber keine hauptberuflichen Musiker sind. Es sind die Rodgauer Stephan Langer (Bass) und der Organisator und "Miles Davis" des Miles-Davis-Projekts, Trompeter Tom Schüler. Egal, wie stressig, plan- und probendürftig es im Vorfeld auch immer zugehen mag, ihre Devise lautet: immer cool und entspannt bleiben. Und, wenn’s dann gilt, einen überwältigenden Gig abrufen und abliefern.
Selbst dann, wenn sogar auch noch der Mastermind des Ganzen überraschend ausfällt. In dem Fall krankheitsbedingt: Jens Joneleit. Der in Berlin wohnende, international aktive Komponist und Maler wuchs in Nieder-Roden auf, wo er in der Folge nach Auslands- und Berlin-Aufenthalten immer mal wieder eine Zeit lang lebte. Für ihn am Schlagzeug wurde kurz vorm Auftritt Benno Sattler gewonnen. Der reiste am Samstag mit der S-Bahn an und spielte nichts weniger als sensationell. Am Schluss des Gigs applaudierten ihm stehend auch und gerade die Schlagzeuger im Publikum.
Kollege Joneleit hatte sich zum 50-jährigen Erscheinungsjubiläum des 1970 publizierten bahnbrechenden Miles-Davis-Doppelalbums "Bitches Brew" zu seinem komplexen "Inflections"-Projekt inspirieren lassen. Das mutmaßlich live unspielbare Ergebnis brachte er mithilfe von Schüler, Langer, dem Pianisten Peter Glaßner und den beiden Rodgau-Monotones-Musikern Matthias Dörsam und Gitarrist Ali Neander 2019 überzeugend auf die Maximal-Bühne. Dazu sollte es jetzt eine Fortsetzung geben, allerdings keine Neukreation, sondern eine südhessische Allstar-Darstellung von Davis-Tracks. Sie bekam den griffigen Arbeitstitel "Miles Smiles". So auch der Titel des Albums, das der Jazz-Gigant 1967 herausbrachte.
Schließlich landete kein Stück der LP auf der Setliste der Formation. Somit war der Titel des Programms nicht als Überschrift über eine weitere Album-Hommage, sondern über eine Art "Best of Davis"-Darbietung zu verstehen. Die startete fulminant, steigerte sich Stück für Stück und gipfelte vor der Pause in den interpretatorischen Überfliegern "Tutu" und "Great Expectations". Wobei letztere Nummer sich auch als Highlight des Abends entpuppte. Dabei war das Duo Langer/Sattler der Star. Egal wie wild die Kollegen auch mit und gegeneinander solierten, die beiden ließen sich keinen Millimeter von ihrer exakt getakteten Rhythmus-Route abbringen.
So entstand im Gegensatz zum leicht orientalisch angehauchten Original i ein umwerfender Jazzhardrock-Brecher, der jede(n) im Keller packte. Und in "Tutu" zupfte Langer ein Wahnsinns-Solo, was gerade beim Bass das Gegenteil eines Selbstläufers ist. Bei der improvisations-dominierten Davis-Musik waren es die engsten Projekt-Vertrauten Joneleits, Schüler und Neander, die eher gehaltvoll introspektive Alleingänge präsentierten. Sie überließen das Spektakuläre Matthias Dörsam, der stellenweise ekstatisch bis orgiastisch solierte. Er brachte auch die meisten Klangfarben in den Sound ein, auf mehreren Saxophonen, auf Querflöte und Bassklarinette. Elegante, süffig melodische und reizvoll ornamentierte Swing-Soli kamen vom Pianisten Glaßner.
Der Gesamtsound des nach der Pause mit weniger Power gefahrenen Gigs war prall, dicht, transparent und ausgewogen, indes auf der linken Verstärkerseite eine Spur zu phonstark. Das „Inflections“-Ensemble präsentierte mit Zugabe ein Dutzend Stücke, von "So What" bis "In a Silent Way". Dabei auch Popsongs, die Davis selbst einst coverte, wie Cyndi Laupers "Time After Time" und Michael Jacksons "Human Nature". Insgesamt glückte der Abend so, dass Davis, wäre er anwesend gewesen, bestimmt sehr erfreut gewesen wäre. Und: Jens Joneleit sich zufrieden zeigen müsste, wenn Freund Schüler ihm Bericht erstattet. Der Herbstprogramm-Start des Maximal war durchaus ein Kandidat für die Liste der "Konzerte des Jahres" in Rodgau. Profis halt, klar.