Jazz e.V. Offenbach
Offenbach - . Es gibt Musiker, denen vergeht mit der Zeit die Lust am Spiel.
Nach 15 Jahren Dienst im Orchestergraben, hunderten von Aufführungen jeweils
ein und der selben Oper langweilen sich nicht wenige Bratscher oder Trompeter während der Proben und Vorstellungen. Von Stefan Mangold
"Die müssen sich schließlich exakt an die Vorgabe halten", erklärt Lutz Plaueln das Phänomen, das es unter Jazzmusikern kaum geben kann. "Alleine, wenn ich die selbe Nummer mit anderen spiele, kommt etwas anderes heraus", ergänzt Ruth Eichhorn, die arrivierte Offenbacher Gitarristin und Jazzsängerin. "Das Publikum kommt jedoch mit bestimmten Erwartungen. Die müssen wir Musiker bedienen." Insofern habe auch der Jazz "manchmal einen ähnlich musealen Charakter wie die Klassik", konstatiert Lutz Plaueln.
Vor zwanzig Jahren saßen Plaueln und Eichhorn im Markthäuschen, das damals noch "Clochemerle" hieß. Die beiden sprachen über die Jazzszene in Offenbach. Die hatte besonders zu Beginn der fünfziger Jahre geblüht. Jazz und Swing, das war der Rhythmus, den nicht nur die Nationalsozialisten "Negermusik" nannten. Ein Stil, der sich gänzlich unterschied von den stampfenden Militärmärschen und dem dumpfen Liedgut der SA. Der Jazz ging einher mit den geschmeidigen Bewegungen, dem leichten, freien Schwung. Die Antithese zur bellenden Zakkigkeit von Befehl und Gehorsam. "Die Keller waren voll", sagt Lutz Plaueln. Wie etwa der "Club 51", schräg gegenüber dem Stadion am Bieberer Berg. "Halb Offenbach war nach Jazz verrückt." Doch lange hielt der Enthusiasmus nicht.
"Mit dem Aufkommen des Rock’n’Roll verloren viele das Interesse."
Gegen den juvenilen Sex-Appeal eines Elvis Presley kamen die Reibestimme eines Louis Armstrong oder die froschartig aufgeblasenen Backen des Trompeters Dizzy Gillespie nicht mehr an. Die Jazzkultur erfuhr einen Einbruch. "Es gab zwar noch Konzerte mit Leuten von Rang", erinnert sich Plaueln, von einer Szene konnte jedoch keine Rede mehr sein. Die Kontinuität fehlte. Und darüber diskutierten Ruth Eichhorn, die auch Gitarre unterrichtet, und Lutz Plaueln, der Gitarre spielt, "doch nur für die eigenen vier Wände". Am Ende resümierten die beiden: "Wir müssen uns organisieren. Wir brauchen einen Verein." Umso mehr, weil schon damals die öffentlichen Gelder für die Kultur nur in Rinnsalen flossen. Heute steuert die Stadt 2 500 Euro jährlich bei. "Davon finanzieren wir die Konzerte am Lili-Tempel während des Mainuferfests." Was nicht ganz reicht. Die letzten trostlos verregneten Tage am 18. und 19. Juni "kosteten 2 700 Euro." Statt der üblichen 500 Zuhörer kam nur die Hälfte. Beim 14. Jazzpicknick im Büsingpark froren Ende Juli gerade mal 50 Zuschauer bei Regenschauern miteinander.
Im Dezember 1991 gründete sich der Verein mit 36 Mitgliedern. Seit 1993 ist Lutz Plaueln 1. Vorsitzender des Jazz e.V., Ruth Eichhorn Vize. Sabine Kriegsmann, die Lebensgefährtin des SPD-Stadtverordneten Plaueln, kassiert die Beitragsgelder der heute 80 Mitglieder und organisiert den Kartenverkauf. "Bei der Satzung beriet uns Arthur Hartmann", erinnert sich Plaueln. Der Kontrabassist und frühere Leiter des Bauamts war bereits Mitglied in einem anderen Verbund. Deshalb liest sich die Satzung der Jazzer ähnlich wie die des Alpenvereins: "Wir mussten nur ein paar Vokabeln ändern."
Artikel Offenbach Post, 7. November 2016:
Sie halten den Jazz in Offenbach lebendig. Der Vorstand von Jazz e.V. freut sich über eine gelungene Jubiläumsveranstaltung im Büsingpalais zum 25-jährigen Bestehen (von links): Andreas Schmidt, Ruth Eichhorn, Rolf Plaueln, Lutz Plaueln und Sabine Kriegsmann. © Georg
Offenbach - Mit einer Gala im Büsingpalais zelebrierte der Jazz e. V. am Samstag sein 25-jähriges Bestehen. Ein Abend voller Erinnerungen, Ausblicke und Jazz in seinen unterschiedlichen Ausdrucksformen. Von Harald H. Richter
Für Lutz Plaueln hat die Jubiläumsveranstaltung schon sechs Stunden früher begonnen: Denn bereits seit dem Mittag trifft der Vorsitzende des Jazz e.V. im Büsingpalais letzte technische und organisatorische Festlegungen. Für den Prolog am frühen Samstagabend zum 25-jährigen Vereinsbestehen ist die Bühne im Foyer bereitet, das Equipment der am eigentlichen Festkonzert beteiligten Bands im Jacques-Offenbach-Saal des neobarocken Prachtbaus ebenfalls an seinem Platz. In stilvollem Ambiente kann das Ereignis steigen.
Oberbürgermeister Horst Schneider, Schirmherr der Jazz-Gala und einst zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehörend, jongliert in seiner Willkommensrede mit Zahlen: „331 Konzerte von 481 Bands hat es im vergangenen Vierteljahrhundert auf Initiative des Jazz-Vereins gegeben.“ Neben insgesamt 1927 Bandmitgliedern hätten rund 1100 vokal Mitwirkende zum Gelingen der Veranstaltungen beigetragen, berichtet er, und in der Summe etwa 18.000 Besuchern Freude geschenkt. „Das legt Zeugnis ab von der Lebendigkeit des Jazz innerhalb der kulturellen Landschaft Offenbachs“, lobt Schneider das Engagement des Vorstands sowie der Mitstreiter in den Reihen dahinter. Mit seinen rund 100 Mitgliedern, Förderern und Ehrenamtlichen arbeite das Team um Ruth Eichhorn, Tilman Gasch und Lutz Plaueln immer wieder attraktive Veranstaltungen aus und gebe den Formationen breiten Raum zum Darstellen ihres Weges entlang der Jazzgeschichte. „So respektabel das Wirken von euch gestandenen Vereinsleuten ist, nicht minder wichtig wird es sein, jüngere Jazz-Enthusiasten für eure Idee zu begeistern, um den Fortbestand des Vereins und damit auch die musikalische Vielfalt der Szene in und um Offenbach zu sichern“, gibt Schneider zu denken.
18 Mitgliedern aus den Gründertagen wird Anerkennung zuteil, als Plaueln ihnen ein „dem heutigen Technikstand gemäßes Geschenk“ überreicht. „Nein, es ist keine CD“, klärt er auf und zieht einen Stick aus der Tasche. 22 eingespielte Songs sind auf dem handlichen und in Leder gebundenen Datenträger zusammengefasst. Solisten wie Barry Blue, Reiner Weisbecker und Formationen wie die IKS Bigband und die Swinging Company bringen darauf Hörproben ihres Könnens dar und rufen manchen miteinander erlebten Auftritt in Erinnerung.
Aber es wird auch live Musik gemacht an diesem Abend. Dafür sorgt zunächst die sich an der zeitgenössischen Ausdrucksform orientierende Offjazzgroup, deren erster Auftritt genau 50 Jahre zurückliegt. Die Besetzung Tilman Gasch (Saxophon), Dr. Volker Bellmann (Klavier), Artur Hartmann (Kontrabass) und Herbert Müller am Schlagzeug bringt über 300 musikalische Lebensjahre auf die in Rotlicht getauchte und dadurch Clubatmosphäre erzeugende Foyer-Bühne des Büsingpalais.
Beim Publikum verstärkt das Herbeiziehen weiterer Musiker den Eindruck des Spontanen, gleichwohl sämtliche Auftritte sehr wohl geplant sind. Zunächst wartet Trompeter Tom Schüler, der zwischen 1998 und 2011 das Bandprojekt bereichert hat, mit einem Duke-Ellington-Song sowie einer Eigenkomposition auf. Der in Wiesbaden lebende amerikanische Sänger und Komponist Geoffrey Steinherz ist ebenfalls dabei. Er präsentiert Auszüge seines vertonten Programms „Kaltblütig“, das sich an Truman Capotes gleichnamigen Roman anlehnt. Steinherz hatte es in Gänze erstmals 2008 mit der Offjazzgroup aufgeführt. Wenn aus Räuspern Rhythmus wird, darf einer nicht fehlen: Hans-Jürgen Lenhart. Der Sprachakrobat aus Offenbach, 1999 Sieger des hessischen Poetry Slams, verleiht dem Foyer-Konzert eine ganz andere „Klangfarbe“. Sein lustvoller Hang zu Sang und Klang erzeugt lautmalerischen „Stotterorismus“ und minimalistische „Buchstammeleien“, die ihre erheiternde Wirkung aufs Publikum nicht verfehlen.
Das darf sich nach kurzer Umzugspause im Jacques-Offenbach-Saal auf weitere unterhaltsame Glanzstücke freuen. Dort sorgt zunächst das aus Ruth Eichhorn (Gesang), Rolf Plaueln und Torsten Buckpesch (beide Gitarre) und Udo Brenner (Kontrabass) zusammengesetzte Jazzquartett frisch und lebendig wie vor 25 Jahren für Ohrenfreude. Großes Orchester wird anschließend aufgeboten, als die Rodgau Jazz Bigband die Klangfülle von Trompeten, Posaunen und Saxophonen mit Rhythmik und Vokalpräsenz zusammenführt.
Homepage: www.jazz-ev-of.de